Description:
Angesichts der Sorge um das wirtschaftliche Überleben in den aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten wird vor dem Hintergrund eines marktwirtschaftlichen Referenzsystems untersucht, inwieweit in einigen dieser Staaten die ordnungspolitischen Voraussetzungen für ein Ende der wirtschaftlichen Talfahrt geschaffen worden sind. Die ordnungspolitische Analyse ergibt schwerwiegende Reformdefizite, die auf den Wunsch der politisch Verantwortlichen nach einer "eigenen" Form von Marktwirtschaft, die den Transformationsprozeß sozial abfedern soll, zurückzuführen sind. Dieses Streben nach sozialen Kompromissen führt zu Widersprüchen bei den Reformen in den Bereichen Rechtsordnung, Privatisierung, Wettbewerbssicherung, Liberalisierung der Märkte, makroökonomische Rollenverteilung und außenwirtschaftliche Öffnung. Beispielsweise soll etwa die Privatisierung rasch durchgeführt werden, jedoch dem Prinzip einer "gerechten" Verteilung genügen und niemandem Nachteile, etwa durch Verlust des Arbeitsplatzes, bescheren; oder die Preise sollen vollständig freigegeben werden, aber gleichzeitig sozial verträglich sein. Um die Voraussetzungen für eine funktionstüchtige Marktwirtschaft in den Nachfolgestaaten zu schaffen, sollte ein konsistentes Reformprogramm umgesetzt werden, das folgende Elemente enthält: die eindeutige Zuordnung von Kompetenzen an die Gebietskörperschaften gemäß dem Subsidiaritätsprinzip; staatliche Garantie der privaten Vertragsfreiheit und des Rechtsweges; verfassungsmäßiger Vorrang für das Privateigentum; konsequente Privatisierungsmaßnahmen; Wettbewerbssicherung durch freien Marktzugang für ausländische Produzenten und Demonopolisierung; vollständige Preisliberalisierung und Marktöffnung; Errichtung einer unabhängigen, stabilitätsverpflichteten Notenbank; Maßnahmen zur Gewährleistung der finanzpolitischen Solidität; Einführung einer frei konvertiblen Währung; Verzicht auf Protektionismus. Es entsteht der Eindruck, daß in den baltischen Staaten günstigere Bedingungen für die Einführung einer marktwirtschaftlichen Ordnung herrschen als in den großen europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Denn die baltischen Staaten können an Traditionen aus der Zwischenkriegszeit anknüpfen, die auch nach mehr als 50 Jahren Sozialismus nicht ohne Wirkung sind. So ergeben sich historische Anknüpfungspunkte bei der Schaffung rechtsstaatlicher Verhältnisse oder privater Eigentumsstrukturen, die auch von der Bevölkerung als Teil ihrer nationalen Identität akzeptiert werden. Trotzdem ist sowohl in den baltischen Staaten als auch in den großen europäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ein kompromißloser Reformkurs notwendig, damit der marktwirtschaftliche Transformationsprozeß gelingen kann.