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In vielen Ölimportländern wird befürchtet, daß das Recycling der Petrodollars nach der zweiten Ölpreiskrise schwieriger sein werde als nach 1973/74. Daraus wird häufig die Forderung nach staatlichem Eingreifen in den Recyclingprozeß abgeleitet. In diesem Beitrag wird gezeigt, daß die dafür vorgebrachten Argumente nicht ausreichen, um Interventionen auf den internationalen Kapitalmärkten zu rechtfertigen. Im Jahre 1980 sind die Leistungsbilanzdefizite der Ölimportländer - unter anderem wegen der geringeren Absorptionsneigung der Ölexportstaaten - höher ausgefallen als nach der ersten Ölpreiskrise. Dies braucht jedoch kein Anlaß zur Besorgnis zu sein: Die Beurteilung auch sich wiederholender Leistungsbilanzdefizite hängt davon ab, ob die realen Ressourcen, die andernfalls jetzt schon als Gegenleistung in die Ölförderländer geflossen wären, inzwischen für rentable Investitionen in Human- und Sachkapital genutzt werden. Durch den gestiegenen relativen Ölpreis ist ein Teil des bestehenden Kapitalstocks entwertet worden. Zugleich haben dadurch aber auch die Anreize für Investitionen im Öl-Substitutionsbereich zugenommen, so daß die Chancen für eine rentable Verwendung der realen Ressourcen - zumindest in den Industrieländern - nicht gering sind* Freilich können diese Anreize von konjunkturellen Effekten überlagert werden. Da auch in den nächsten Jahren mit einer geringen Absorptionsneigung der Ölexportstaaten zu rechnen ist, wird dem finanziellen Recycling weiterhin eine große Bedeutung zukommen. Solange sich die Rentabilität der Investitionen auf den Kapitalmärkten widerspiegeln kann, besteht kaum ein Anlaß zu der Befürchtung, daß die Finanzströme aus den Ölländern versiegen werden. Allerdings dürfen die Marktzutrittsmöglichkeiten und die Zinsflexibilität auf den Kreditmärkten nicht eingeschränkt werden, damit andere Finanzintermediäre hinzutreten können, wenn einzelne Banken nicht mehr bereit sind, sich bei gegebenen Erträgen und Risiken weiterhin im Recyclingprozeß zu engagieren. Die Entwicklungsländer stehen vor der Schwierigkeit, am Petrodollarrecycling nicht im gewünschten Maße partizipieren zu können. Die eigentliche Ursache dafür liegt jedoch darin, daß ihren Produkten der Zugang zu den Märkten der Industrieländer erschwert wird. Würde man mit dirigistischen Maßnahmen die Petrodollars in diese Länder umlenken, kurierte man deshalb nur am Symptom. Mit einem Abbau der Zollschranken in den Industrieländern wäre den Entwicklungsländern mehr gedient als mit "weichen" Krediten. Vielfach werden Befürchtungen geäußert, daß die Ölexportländer auch auf lange Sicht überwiegend kurzfristige Aktiva bevorzugen, während die Verbraucherländer an langfristigen Krediten interessiert sind. Diese Befürchtungen erscheinen aber vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die nach der ersten Ölpreiskrise gemacht wurden, als nicht gerechtfertigt. Auch damals erwarben die Ölstaaten zunächst überwiegend kurzfristige Titel; sie diversifizierten ihr Portefeuille jedoch schon bald zugunsten langfristiger Anlagen. Ein solches Verhalten ist größtenteils auf Informations- und Transaktionskosten zurückzuführen, die im Verlauf des Anlageprozesses abnehmen. Um die Informations- und Transaktionskosten weiter zu senken und zugleich die Unsicherheit zu verringern, die bei den Kapitalanlegern aus den Ölförderländern Ober die künftige Preisentwicklung in den Anlagestaaten besteht, ist es für die Industriestaaten vorteilhaft, als Ersatz für kurzfristig nicht erreichbare Geldwertstabilität Wertsicherungsklauseln auf den Kapitalmärkten zuzulassen.